Eine märchenhaft bunte, fantasievolle Inszenierung von Humperdincks gerne in der Weihnachtszeit gespielter Kinderoper „Hänsel und Gretel“ brachte in der Premiere am 2. Dezember das Landestheater Coburg in seiner Interimsspielstätte dem Globe Coburg. Bei fast ausverkauftem Saal vollzog sich schon während der Ouvertüre eine bonbonfarbene Umsetzung aus Süßigkeiten, die sicher so manchen Kindern das Wasser im Mund zusammen laufen ließen. Dazu erfolgte ein geschriebenes Wortspiel mit den Namen der Hauptprotagonisten, also mit Hänsel und Gretel. Eine gute Idee, jedoch konnten manche kleine Zuschauer noch nicht lesen, so dass sie nicht in den Genuss der Komik kamen.
Märchenhaft auch die Bühne von Marvin Ott bestückt mit einem Wohnwagen, in dem die Familie ihren Urlaub verbringt, davor ein Tisch und eine Bank, angedeutete Tannen der Fränkischen Schweiz sowie ein sogar rauchender Grill zur standesgemäßen Verpflegung. Denn die Handlung wurde in den Urlaub verlegt, den die Kinder mit ihren Eltern im Campingwagen verleben. Doch es ist kein unbeschwerter Urlaub, denn auch dort ist das Geld knapp und der Vater muss als Staubsaugervertreter, sein Werbeschild lautet humorvoll „Staub & Söhne“, arbeiten. Hänsel und Gretel verirren sich im Wald und gelangen in ein Waldkino voller Kinder, die sich alle verirrt haben. Als sie aus dem Schlaf erwachen, finden sie sich in einer Märchenwelt wieder, alles ist in grelle, bunte Farben getaucht und eine Hexe lockt sie mit Süßigkeiten und Plüschtieren in ihr Hexenhaus. Doch alles geht gut aus. Die Verlegung der Szenerie passte sich aber gut an das Werk an, war nicht unstimmig.
Besonders herausragend verkörperten Francesca Paratore als Gretel, Emily Lorini als Hänsel und Michael Lion als Vater Peter Besenbinder, hier wohl eher Peter Staubsaugervertreter, sowohl gesanglich, mit beeindruckend deutlicher Aussprache, wie auch in humorvollem Spiel, ihre Rollen. Beeindruckend auch wie Hänsel plötzlich in einem Käfig aus Zuckerstangen in die Luft gezogen wird. Kindgerecht die bunte Flickenkleidung aus denen sich die Kostüme (Kostüme: Neil Barry Moss) zusammensetzen. Der Vater Peter trägt beispielsweise eine kurze lila Flickenhose aus Krawatten, eine grüne Jacke und einen Fellmantel, und als er fast, natürlich aus Versehen, das Putzmittel seiner Frau trinkt, bricht großes Gelächter im Publikum los. Auch Rebecca Davis als Mutter Gertrud wird humorvoll dargestellt mit Lockenwicklern, einer rosa Schürze, Hausschuhen mit Tierköpfen und in der Hand einen Rührlöffel mit Gesicht. Auch ihre Diktion war überaus präzise, ansonsten stach sie aufgrund der kleineren Rolle weniger heraus.
Allerdings muss angemerkt werden, dass das Orchester des Landestheaters Coburg unter der Leitung des Solorepetitors Yona Bong eine so große klangliche Macht hatte, dass bei einigen Darstellerinnen und Darstellern, vor allem aber bei der Hexe von Dirk Mestmacher, vom Text kaum mehr etwas zu verstehen war. Die Hexe, eigentlich die spannendste Figur der ganzen Oper, hätte interessanter inszeniert werden können. Vor allem der Hexenritt war langweilig, nur ein Funke entstob dem Zauberstab, von dem eigentlichen Ritt war aber nichts zu sehen. Das habe ich schon spannender erlebt. Auch kommt die Hexe nicht in den Ofen, sie wird hier einfach mit Dynamit gesprengt und das Hexenhaus bleibt noch lange danach stehen, fällt erst später in sich zusammen. Dies passt nicht zum Libretto.
Das Hexenhaus ist bunt, besteht aus allem was Kinder anlocken kann, aus Bonbons, bunten Stofftieren und unweit davon steht sogar noch ein Popcornstand. Die Hexe sieht fast clownsmäßig aus, trägt Kuscheltiere am Rock und einen hohen rosa Hut, auch fasziniert Mestmacher durch eine großangelegte Mimik, ist aber stimmlich kaum zu hören. Dieser klangliche Mangel mag an der schlechten Akustik des Globe Coburg, der Interimsspielstätte, liegen, da dies auch in der von mir besuchten Vorstellung von Verdis „Macbeth“ der Fall war. Als Sandmännchen und Taumännchen agierte Luise Hecht mit leichter, sanfter Stimme, gut geeignet, als Sandmännchen schwarz-weiß gekleidet, mit Namensschild und dazu passend einem Säckchen voll Sand, während sie als Taumännchen unpassend als riesiger Teddybär zu erscheinen hatte. Während das Sandmännchen kam, träumten Hänsel und Gretel von einem Popcornstand und Kindern, die mit Eintrittskarten versehen sich den Film „Verlorene Kinder“ anschauen, wobei als positive Wendung, dort bereits eine Mutter ihr verlorengeglaubtes Kind wiederfindet. Der Kinderchor des Landestheaters Coburg (Choreinstudierung von Marius Popp) faszinierte sowohl schauspielerisch, als auch gesanglich.
Eine kindgerechte, in die Gegenwart versetzte Inszenierung von Operndirektor Neil Barry Moss, so haben Hänsel und Gretel auch ein Smartphone zur Navigation dabei, und aus dem Besenbinder wurde der Staubsaugervertreter, auch die derzeitige Jahreszeit, der Winter, spielte eine große Rolle. So schneite es dicke Flocken, sogar schon zur Ouvertüre. Die Videoeinspielung von der Fahrt der Eltern mit dem Campingwagen war eine gelungene Lösung der geringen Bühnengröße, wenn es auch im Saal bei Filmeinspielungen deutlich unruhiger wurde.
Eine für Kinder und Erwachsene verständliche Opernproduktion, die an manchen Stellen sich nicht ganz auf das gesungene Libretto bezieht, wodurch es zu veränderten Deutungen kommt. Kleiner Hinweis: Einige kindgerechte Seiten im Programmheft würden die kleinen Besucher sicher besonders erfreuen.
Dr. Claudia Behn
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