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Rezension Landestheater Coburg "Götterdämmerung" – 07.04.2024

Coburg

Götterdämmerung

Landestheater Coburg – 07.04.2024

Die alte Welt geht unter, eine neue Welt bricht an, so könnte man Richard Wagners „Götterdämmerung“, das vierte Werk des Bühnenfestspiels „Der Ring des Nibelungen“, zusammenfassen. Das Landestheater Coburg hat sich, nachdem es sich in den vergangenen Jahren schon dem „Rheingold“, der „Walküre“ und „Siegfried“ gewidmet hat, nun der „Götterdämmerung“ zugewandt und kann dabei auf ein exzellentes Ensemble zurückgreifen. Wobei aber die Inszenierung von Alexander Müller-Elmau, der gleichzeitig auch das Bühnenbild schuf, wie schon in den drei vorhergegangenen Wagnerwerken, teilweise unscharf und unverständlich bleibt, umso mehr, da das Programmheft kein Wort zur Intention des Regisseurs verlauten lässt.

Die „Götterdämmerung“ spielt bei Müller-Elmau in einem Museum, dargestellt auf einer fast leeren Bühne, mittels einiger weniger Schaukästen, in denen auch die Sängerinnen und Sänger immer wieder als Museumsobjekte platziert werden. Herbstblätter vergangener Tage liegen am Boden, wohl als Andeutung etwas lange Zurückliegenden, längst Gewesenen. Museumsmitarbeiter und Besucher (Statisten) laufen umher, besichtigen die Schaukästen oder sitzen auf Stühlen am Rand und betrachten das Geschehen. Außer einigen Türen, durch die die Darstellenden abgehen oder kommen, gibt es keine weiteren Verbildlichungen. Später kommt noch eine riesige Discokugel hinzu, wohl den Erdball symbolisierend, der angestrahlt, auf die Götterwelt herab glitzert. Zur Passage, die „Weltesche wob ich einst“ wird ein langes Seil eingesetzt, in das sich die Nornen einweben. Das Pferd Grane ist in dieser Inszenierung nur ein Pferdekopf, der in einer Vitrine steht und man fragt sich: Ist die Welt schon vor Beginn der „Götterdämmerung“ untergegangen? Auch Siegfrieds Schwert Nothung ist hier, trotz des Widerspruchs mit den gesungenen Worten, eine Pistole, die aber nie eingesetzt wird, und die später in Hagens Händen plötzlich zu einem Schwert wird. Dieser Widerspruch bleibt unverständlich und wird auch nicht aufgelöst. Die Blutsbrüderschaft zwischen Siegfried und Gunther wird mit einer Maß Bier getrunken, von wirklicher Blutsbrüderschaft scheint keine Spur vorhanden. Sind deshalb die Bande so schnell zerbrochen? Im Hintergrund werden dezente Videoprojektionen eingesetzt, zum Beispiel von fliegenden Vögeln, die aber kaum spürbar das Geschehen beleben (Video: Niklas Zidarov). In farblicher Hinsicht überwiegen triste Grautöne, wohl der tragischen Handlung geschuldet, aus der nur Gudrune in leuchtend-rotem Kleid (Kostüme: Julia Kaschlinski), die Liebe oder Versuchung symbolisierend, hervorsticht. Eine sehr statische Inszenierung, fast könnte man es Stagnation nennen, die überaus langatmig daherkommt, was bei einer Dauer von sechs Stunden (inklusive zwei Pausen von jeweils einer Dreiviertelstunde) eine sehr fatale Wirkung entfaltet.

Die Akustik des Globe, der Ausweichspielstätte des Landestheaters Coburg, erweist sich nach wie vor als ungeeignet für Musiktheater, wogegen die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne ankämpfen. Diese Akustik sorgt aber für einen dröhnenden Orchesterklang, während der kleinste Ton im Publikum, sei es ein Niesen oder ein Rascheln, fast im ganzen Saal hörbar ist. Dies bedingt leider eine sich durch alle Gesangspassagen ziehende Undeutlichkeit des Textes, was aber wie gesagt an der Akustik liegt.

Wunderbar vor allem die Besetzung der Hauptprotagonisten, die mehr als eindrucksvoll ihre Partien verkörpern. Irina Oknina war eine umwerfende Brünnhilde, sie debütierte in dieser Partie, mit strahlend-dramatischem Klang, intensiver Darstellung, einfach fabelhaft, man kann nur hoffen, dass sie diese Partie bald auch an anderen Häusern verkörpern wird. Ebenfalls hervorragend Michael Lion, seit 2008/09 am Haus, als Hagen, nachdem er zuvor schon den Wotan gesungen hatte. Begeisternd seine profunde Tiefe und seine Ausdrucksgewalt. Warum er allerdings im dritten Akt in einem schwarzen Kleid zu erscheinen hat, bleibt unklar, wohl soll er zum Ebenbild Brünnhildes werden. Bravourös auch Gustavo Lopez Manzitti als Siegfried mit langer blonder Mähne, seit 2023/24 am Haus, ebenfalls eine Idealbesetzung für diese Partie. Von großem Stimmvolumen und immenser Eindringlichkeit, schauspielerischer Vielseitigkeit, macht er aus Siegfried eine ambivalente Figur, die an ihrem Fall unschuldig zu sein scheint. Bassbariton Lars Fosser (Gast) brilliert als Gunther stimmgewaltig und stets darstellerisch präsent. Dazu kommen ausgewogen Ana Naque als Gudrune, seit 2023/24 Ensemblemitglied, in einem sehr engen roten Kleid als Sinnbild der weiblichen Verführung, Kora Pavelic als Waltraute mit langem Zopf, seit 2014/15 am Haus, und Martin Trepl als Alberich, seit 1998 im Opernchor, dessen dominierende Farbe Schwarz ist. Die drei Nornen, Ioana Tautu als Floßhilde, Mitglied des Opernchores, Emily Lorini als Wellgunde, seit 2018/19 am Haus, und Rebecca Davis (Gast) als Woglinde, agieren mal als Lebewesen, dann wieder als Museumsrequisiten. Der Chor und Extrachor des Landestheaters Coburg (Choreinstudierung von Alice Lapasin Zorzit) in orange Ganzkörperanzüge gewandet, beweist sich als stimmgewaltig und klangschön. Das Philharmonische Orchester des Landestheaters Coburg unter Generalmusikdirektor Daniel Carter, nimmt sich kaum zurück, sondern bringt Wagner in voller Klangschönheit und Dynamik.

Eine musikalisch ausgezeichnete Produktion, deren Hörgenuss leider durch die akustische Situation geschmälert wird, in einer langatmigen, sehr statischen Inszenierung.

 Dr. Claudia Behn

 

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