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Claudia Behn

Rezension zu "La Cenerentola" am DNT Weimar vom 11. Mai 2024

Weimar

La Cenerentola (Aschenputtel)

Deutsches Nationaltheater Weimar – 11.05.2024

Die komische Oper in zwei Akten „La Cenerentola oder Der Triumph der Güte“ von Gioacchino Rossini trifft auf das Weimar der Goethezeit. Ein fulminanter Coup gelang dem Regisseur Roland Schwab mit der Verknüpfung der Weimarer Geister Johann Wolfgang von Goethe, Herzog Carl August und der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, auch wenn manche humorvoll angedachten Stellen einen viel zu klamaukigen Eindruck erweckten.

Bereits in der Ouvertüre geschieht es in Videoform (Video: who-be), dass die Hausmeisterfamilie, im Original die Familie des Barons di Monte Fiascone, um Don Magnifico und seine Töchter Tisbe und Clorinde absichtlich die Herzogin Anna Amalia Bibliothek in Brand stecken. In Schwabs Deutung wird die Herzogin Anna Amalia Bibliothek als Inbegriff von Erziehung, Schönheit, Prunk, Repräsentation und Fest gesehen. Der Rokokosaal wird gar zum Symbol von Heldenverehrung und Musealisierung. Allerdings lenkt das Video stark von Rossinis beschwingter Musik ab, und drängt sie in den Hintergrund. Die Darstellung im Video ist mehr als albern und grotesk, erst später, mit Beginn des zweiten Aktes, gelangt das Stück zur Hochform. Die Brandstiftung hat Folgen, denn dadurch erweckt die vermeintliche Hausmeisterfamilie alle im Rokokosaal lebenden Büsten, also Geister, zum Leben. So geschieht es auch, dass Alidoro, Philosoph und Erzieher Don Ramiros alias Goethe vor das Publikum tritt, Don Ramiro selber erscheint als Herzog Carl August und Dandini als Weimarer Lakai und schon nimmt das Geschehen voll Lokalkolorit seinen Lauf. Eine Parallele zur Gegenwart entsteht durch die beiden Schwestern Tisbe und Clorinda, die als freche, lustige heutige Mädchen dargestellt werden mit allem was die Gegenwart ausmacht wie Smartphones, Selfies, Ringlicht usw.

Die Bühne von Piero Vinciguerra zeigt anfangs den Schrotthaufen der Herzogin Anna Amalia Bibliothek, später dann den Nachbau des Rokokosaals der Herzogin Anna Amalia Bibliothek und zum Schluss das Goethe-Schiller-Denkmal und besticht durch immense Farbkontraste. Ein Chapeau für die Realisierung der Bühnenbilder und Malereien! In der Festszene kriechen die Teufel (Männerchor), als lauter Mephistos maskiert, aus der Versenkung und feiern ausgelassen, gemeinsam mit Don  Magnifico als Kellermeister und bemalen sich gegenseitig. Drei grüne Frösche (Statisterie des DNT Weimar), die der Festtafel entspringen, sorgen für zusätzliche Erheiterung, es kommt zur Schlacht am Buffet. Ergänzend werden einige Zitate der Goethe-Schiller-Zeit eingesetzt, wie das philosophische „Die Welt urteilt nach dem Scheine“ oder auch heitere eigene wie „Leck mich im Arsch“ voll derbem Humor.

Die Handlung des humorvollen philosophischen Erziehungsstücks wird in den Kontrast gesetzt zur Hochkultur, für die die Herzogin Anna Amalia Bibliothek steht, im Gegensatz zu unserer heutigen niederschwelligen Tik-Tok-Gesellschaft, die die Elemente der einstigen Hochkultur in Asche legt. Dennoch siegt die Menschenliebe der Angelina, genannt Cenerentola, über den Adelsstand.

Die musikalisch-darstellerische Umsetzung ist fabelhaft. Allen voran Philipp Meierhöfer (Gast) als Goethe alias Alidoro, dessen Eintritt in das Stück in einem hervorragend gemalten Bild geschieht, in dem er als Goethe steht. Goethe tritt heraus und das Geschehen nimmt seinen Lauf. Brillanter Einfall! Meierhöfer begeistert durch beeindruckende Pantomime, teils nur durch Mimik, absolute Deutlichkeit und Ausdrucksstärke. Hervorragend auch Sayaka Shigeshima als Angelina, genannt Cenerentola (Aschenputtel), die eine Vermittlungsposition zwischen Gegenwart und Vergangenheit einnimmt, teils grau und modern gekleidet, teils in ein gelbes Abendkleid gehüllt (Kostüme: Gabriele Rupprecht), gelingt ihre Partie mit großer Leichtigkeit, Wärme und Expressivität. Das Duett von Angelina und Don Ramiro, fast unbegleitet, ist bezaubernd. Brillante lyrische Szenen liefert Taejun Sun als Don Ramiro, der wie auch Alidoro alias Goethe einem alten Gemälde als Herzog Carl August entsteigt. Voll in seinem Element und in großer Spielfreude, aber auch stimmlich gewachsen, Uwe Schenker-Primus als Don Magnifico. Jonathan Michie (Gast) als Dandini gelingt eine durchdringende gesanglich-darstellerische Meisterleistung. Marlene Gaßner als Tisbe und Ylva Stenberg als Clorinda, beide bauchfrei und in schrille Blumenkostüme gekleidet, besetzen die beiden negativ konnotierten Rollen der bösen Schwestern, deren Spiel bewusst übertrieben ist. Ein stimmgewaltiger Männerchor des DNT Weimar mit weißen Gesichtern und weißen Perücken, sorgt für ausdrucksstarke pantomimische Elemente voll Stimmgewalt.

Wunderbar, wenn auch teilweise etwas zu vordergründig massiv gespielt, agierte die Staatskapelle Weimar unter dem Dirigat von Nathan Blair zu Rossinis schwungvoll, heiter, beschwingter Komposition. Eindrucksvoll, die von André Kassel am Cembalo begleiteten Rezitative.

Eine heiter-humorvolle Sichtweise, die aber den schmalen Grat zum Klamaukigen oftmals überschreitet und des Guten etwas zu viel aufträgt. Doch der starke Applaus des fast ausverkauften Hauses zeigt die Begeisterung des Publikums.

 Dr. Claudia Behn

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